Wenn du vom alten Bahnhof Hualampong den Kanal überquerst, dann trittst du ein in eine ganz andere Welt. Obwohl du sowieso schon in Krungthäp in einer ganz anderen Welt bist, erlebst du hier noch einmal eine ziemliche Veränderung. Wie ein Traum in einem Traum fühlt sich das an.
Da steht kein Laden leer und alle Geschäfte sind nach vorne hin offen, außer den klimatisierten natürlich. Ein Eisenwarenhändler gleich neben dem Friseur und danach gleich der Sarghändler der aus irgendwelchen Gründen auch Pumpen und Motorsägen verkauft. Der Gang zu den Textilgeschäften ist wirklich eng und trotzdem kommt mir noch eine Vespa entgegen, wenn ich nicht in das Hutgeschäft gegangen wäre dann hätte dieser Lieferant womöglich noch stehen bleiben müssen. Die Fassaden tragen viel mehr Rot und Gold als sonst, und es ist auf einmal alles noch geschäftiger, schneller und auch noch enger. Die Namen der Geschäfte oder deren Besitzer prangen in großen goldenen chinesischen Lettern, entschuldige Zeichen oder Symbole natürlich, meist knapp über dem Eingang. Thailändische und englische Beschriftungen erkennt man wegen der kleineren Schrift erst bei genauerer Betrachtung.
ein Traum in einem Traum

Die hohen Bordsteinkanten sind noch das kleinste Problem beim Überqueren der Straßen. An jeder Straßenecke könnte ich mich verlaufen weil ich ohne GPS unterwegs bin. Oder ich könnte von einem Auto, Moped oder Truck überfahren werden weil ich gewohnheitsmäßig immer noch den Kopf nach links drehe bevor ich die Straße überquere. Linksverkehr, sage ich mir dann jedes Mal, sonst wirst nicht alt hier. Es dauert eine Weile sich daran wieder zu gewöhnen und wenn du das erste Mal hier bist sei bitte ganz besonders Vorsicht weil selbst ein Schutzweg dich hier nicht unbedingt schützt.
Also immer schön langsam bleibt die Devise. Immer schön langsam mit den alten Pferden, das ist ja der ursprüngliche Spruch gewesen, nicht mit den jungen Pferden, mit den Alten musst du langsam, verstehst? Schön langsam gilt nicht nur für Chinatown sondern überall im schönen Siam. Nicht nur wegen dem Verkehr langsam und vorsichtig. Und auch nicht nur langsam wegen der Luftfeuchte und der Hitze in der mir sofort das T-Shirt am Rücken festklebt, sondern auch wegen der Hindernisse. Die sind nicht nur am Boden gut verteilt, auch in Augenhöhe gibt es genug Gefahrenstellen. Thais sind eben kleiner als der durchschnittliche Farang, die passen unter den meisten Querbalken durch. Du kannst dir deine Sandalenbesohlten zarten Farang Füße gleich am ersten Tag an einer uneben verlegten Bodenplatte genauso gut aufschlitzen wie an einer Stahlplatte die ein BaustellenLoch abdecken soll.
Auch das Stolpern wird mir mit den sehr unterschiedlich hohen BordsteinKanten sehr leicht gemacht. Während ich den Boden nach Zehenfeindlichen Objekten abscanne und mein StirnSensor mich auf Hindernisse in Kopfhöhe aufmerksam macht, sehe ich mir in langsamen Schritten die Angebote an auf der Suche nach was Essbarem. Full alert, sozusagen. Wenn eine MarkisenStange dir deine Sonnenbrille vom Schädel fegt, hast du noch mal Glück gehabt, es hätte viel schlimmer kommen können.
Die gespeicherten und oft schmerzhaften Erfahrungswerte helfen mir sehr gut mich zu konzentrieren. Am besten gehe ich langsam, bleibe öfter wo stehen und gehe weiter sobald ich höre: Hello Sir? Just one question, please. Oder wenn du hörst, „hey my friend, come here“, musst ja nicht du gemeint gewesen sein. Ich gehe erst mal weiter…das Gleiche gilt beinahe überall, nicht nur hier in Krungthäp oder nur in Siam, sondern wirklich überall wo du noch nie warst. Immer schön langsam und ruhig, kein Stress, vergiss nicht das ist Urlaub. Auch später in den Einkaufs Straßen der Inseln oder im Norden oder wo immer du gerade bist in Thailand. Ruhe und Gelassenheit sind hier enorm wichtig, wenn du eher der laute Typ bist versuch es einmal mit einem Lächeln, einem MaiPenRai und du wirst soviel mehr erreichen und ziemlich sicher bald den Unterschied spüren. MaiPenRai heißt übrigens so viel wie: Macht nix, nix passiert oder geht schon.

Ich spaziere in Chinatown bis ich hungrig bin, esse eine Kleinigkeit und danach fahre ich in die KhaoSanRoad um zu sehen was sich geändert hat in einem Vierteljahrhundert, das ist der Plan für heute. Ich will jetzt keine Suppe sondern gebratene Nudeln die gut gewürzt sind.
Viele Fotos zu machen ist ganz typisch für die ersten Urlaubstage, speziell wenn man schon lange nicht mehr gereist ist. Dieses zweite Foto, dieses Foto zur Sicherheit, welches ich seit Einführung der Digitalkamera stets gemacht habe, habe ich mir erst vor kurzer Zeit wegen der zusätzlichen Arbeit abgewöhnt. Eines muss reichen und wenn ich es dann nicht habe werde ich es bestimmt nicht vermissen weil ich mich nicht an alle Foto Opportunities erinnern werde können, da bin ich mir sehr sicher. Danke Petar, du hast mich auf diese Idee gebracht und die ziehe ich durch, beinhart.
Gebratene Nudeln habe ich immer noch nicht gefunden also entscheide ich mich für trockene Nudeln. Du kannst die Nudelsuppe auch ohne Suppe haben, bzw. die klare Suppe extra und genau das bestelle ich hier. Giutiau Hääng heisst das, aber das besprechen wir am besten im Beitrag „Essen“. Ich frage das chinesische Paar ob ich mich an ihren Tisch setzen kann und bedanke mich. Dann bestelle ich mir gelben Nudeln, Fleischbällchen und Teigtaschen, trocken sage ich noch einmal dazu. Ich bekomme nach kurzer Wartezeit die Nudeln, eine Schale mit Suppe und einen Teller mit Gemüse, hauptsächlich Bohnensprossen und Grünzeugs. Wasser und Eis wird auch hier wie selbstverständlich angeboten.
Von Chinatown zur Khao Sarn Road im Boot

Getränke bekommst du an jeder Ecke und hinter dieser Ecke ist sogar ein Zuckerrohrsaft Stand. Mit dem frischen ZuckerWasser mache ich auf den Weg Richtung Bahnhof.
Alleine zu reisen hat mehr Vor- als Nachteile habe ich mir irgendwann mit einer Pro und Kontra Liste aufgezeichnet. Man kann nichts, rein gar nichts delegieren, es muss alles selbst erledigt werden und das kostet Energie und Zeit und oft auch ein wenig Überwindung. Und trotzdem ist es alleine meist besser als in einer Gruppe, außer die Gruppe ist Familie, da gelten andere Regeln. Ich diskutiere nicht lange mit mir selbst herum und steige gleich in das erste Boot das gerade anlegt. Die Fahrt durch die Kanäle Bangkoks scheint mir länger als ich in Erinnerung habe oder waren die Longtail Boote so viel schneller? Den Geruch habe ich gleich wieder erkannt.
Schon beim Aussteigen erkenne ich sofort die kleine Brücke, auch den kleinen Platz danach und weiß da vorne links geht es in die KhaoSarn Road.

Vor dem worldwideweb hat man in der KhaoSarnRoad alle wichtigen Informationen bekommen, man hat Leute kennengelernt oder Menschen wieder getroffen die man schon in ChiangMai, auf KohPhangan oder am Lake Toba auf Sumatra kennengelernt hat. Die KhaoSarn Road ist auch heute noch der hotspot von Krungthääp. Von der T-Kreuzung bis zur Police station war es ein nicht allzu langer Spaziergang durch die ganze KhaoSarnRoad. Wer eine Garage hatte, stellte ein paar Tische, Stühle und eine Theke auf und fertig war die kleine Bar in den späten 80gern und frühen 90gern. Das war ziemlich familiär damals, Ratschläge und Tipps für deine Reise hast du aus dem lonelyplanet und von fellow travellern bekommen.
Überhaupt nicht wieder zu erkennen ist diese Straße mit all den Läden, Restaurants, Bars und Tatoo shops und und und. Die KhaoSarn hat sich so stark vergrößert und ist zu einen eigenen Viertel gewachsen. Die umliegenden Straßen sind voll mit Reisebüros, Hotels, Restauraunts, Massageläden und unzähligen kleinen Geschäften die den gleichen Ramsch anbieten wie damals, nicht viel Neues dabei, dafür viel mehr von Allem. Ich nehme mir fest vor nichts zu kaufen außer dieser wunderbaren faltbaren ElefantenSalatSchüssel aus Holz und nur um ein Geschenk zu haben, für den Fall des Falles. Ich bin froh die KhaoSarn aus ihren Anfängen zu kennen, wo man nach 3 mal rauf und runtergehen alle anderen Traveller getroffen hat die dort wohnten. Immer wieder hast du bekannte Gesichter gesehen und oft auch gegrüßt oder mal am Abend einen Mekong Whiskey mit Cola geteilt hast. Das war fast familiär damals.

Hunger, Durst und Müdigkeit drängen mich in das nächstbeste Lokal. Mit einer guten Aussicht auf das Treiben auf der Straße warte ich auf Bedienung. Bier Sing nüng Khuat, sage ich zur Kellnerin. Das heißt frei übersetzt: Bier Singha eine Flasche. Bei diesem Satz kann man mit den Tönen gar nichts falsch machen außer man sagt Singha anstatt Singh. Khuat sprichst du aus wie den Namen Kurt.
Thai Servicepersonal fragt meist noch einmal nach der Menge, um sicher zu gehen. Dann wiederhole ich die Bestellung und hebe den Zeigefinger für die Zahl eins, und nicht den Daumen.

Dreimal konnte ich es verhindern, aber irgendwie hat sie es dann doch geschafft mein Bier nachzufüllen. Ich hasse das wenn mein Bier aussieht wie eine Urinprobe, bis zum Rand hin gefüllt ohne Schaum. In vielen Bars und Restaurants mit genug Personal wird immer bedient und schnell nachgefüllt um deinen Konsum zu steigern. Ich nehme mir vor nur noch Bier in Flaschen zu bestellen, ohne Glas das kann mir sowas nicht mehr passieren.

Um 06:30 PM wird es schon finster. Ich befinde mich hier in Äquatornähe, das heißt, dass die Tage das ganz Jahr über ziemlich gleich lang sind. Es wird immer so zwischen 6 und halb 7Uhr abends und finster und auch zwischen 6 und 7 Uhr morgens wieder hell. Dämmerung ist viel kürzer weil sich die Sonne praktisch im 90 Grad Winkel auf den Horizont zu bewegt und dahinter viel schneller verschwindet, als ob sie runterfallen würde. Die frühe Dunkelheit lässt die Nächte länger erscheinen. Trotzdem ist es immer noch heiß genug um mein Bier schnell warm werden zu lassen. Es empfiehlt sich kleine Flaschen zu bestellen wenn man alleine ist, oder schneller zu trinken würden Spaßvögel meinen. Die große Flasche reicht locker für 2-3 Personen, dann habt ihr euer Bier immer auf idealer TrinkTemperatur.

Ich sehe mir auf dem Weg zum Boot noch mal die Verlängerung der KhaoSarnRoad an und schwitze gleich den Großteil des Bieres wieder raus. Beim Schlendern Richtung Pier realisiere ich, es werden doch viel mehr Waren angeboten als damals und die Versuchung was zu kaufen ist groß. Es bestand früher schon immer die Befürchtung gerade diesen speziellen einen Artikel nicht mehr zu bekommen und auch nicht diesen und all die anderen auch nicht…Mir ist das vor über 30 Jahren genauso gegangen, also weg hier.
Ohne Umwege zurück zum HOM Hostel, eine kleiner Snack vom 7/11 und noch Tagesbericht auf der Terasse schreiben. Hey, wie es da riecht hier. Seit der Legalisierung riechst du das überall wo Farangs sind. Erste Nacht in den Tropen, erste Nacht in einem neuen Bett, da sollen Träume in Erfüllung gehen, aber nur für den, die es glaubt und sich auch den Traum merkt. Gute Nacht.
